20.03.2021 Pressemitteilung: Kahlschlag beenden! Nistplätze erhalten!
Der Weltspatzentag findet jährlich am 20. März statt. Er wurde von der National Forever Society initiiert und macht auf den weltweiten Rückgang der Spatzen aufmerksam.
Der freche Spatz gehört zu Berlin und hier hört man sein fröhliches Tschilpen noch häufig. Doch das ist keineswegs mehr selbstverständlich. Überall wird ‚aufgewertet‘, aufgestockt, abgerissen. Mieter*Innen müssen um ihre Bleibe fürchten, weil die Häuser verkauft werden. Nicht anders ergeht es dem Spatz. Der Wohnraum wird immer teurer und dabei schrumpft auch die Artenvielfalt, die in Berlin eng an Gebäude geknüpft ist.
So droht eine Spatzenkolonie nach der anderen zu verschwinden, solange der gesetzliche Vogelschutz bei Städtebau, Freiflächenplanung und Architektur kaum berücksichtigt wird.
Die Charta Stadtnatur läuft ins Leere, wenn mit der Versiegelung von Gebäuden und naturfernen Raumkonzepten auf öffentlichem Grund unaufhörlich die Lebensgrundlagen stadttypischer Brutvögel verloren gehen.
In deutschen Großstädten wird in nur wenigen Jahrzehnten ein dramatischer Bestandsrückgang an Spatzen verzeichnet. Wie still es werden kann, ist zum Beispiel in Hamburg, Köln, München, Hannover zu beobachten. Inzwischen steht der Haussperling auf der Roten Liste der gefährdeten Arten sogar bundesweit auf der Vorwarnliste, in Hamburg auf der Roten Liste.
Spatzen sind Anpassungskünstler und dem Menschen vor Jahrhunderten in die Siedlungen gefolgt. Sie sind Meister des Überlebens in Lücken und Nischen. Eine Traufe im unsanierten Altbau, die Höhle unter der Dachblende, die Spalte im alten Plattenbau, all das reicht Spatz, Mauersegler, Star, Fledermaus und anderen Gebäudebrütern als Brutplatz und Quartier aus.
Bei Sanierungsarbeiten werden gesetzlich geschützte Nisthöhlen beseitigt, oft rücksichtslos während der Vogelbrutzeit, ohne dass die gesetzlich vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen eingehalten werden. Ortstreue Vögel wie Spatzen können sich kaum mehr anpassen, denn das erreichbare Umfeld wird meist ebenfalls saniert und Neubauten sollen hermetisch glatt und makellos sein.
Spatzen sind als Kulturfolger dringend auf die Stadt und die Nähe zum Menschen angewiesen. Sie benötigen im engen Umfeld zu den Brutplätzen ausreichend Nahrungsquellen sowie Schutzgehölze, denn sie überleben nur im Sozialverbund. Mit dem radikalen Säubern von Sträuchern, Laub und Unterholz gehen auch die Nahrungsquellen, Rückzugsräume und Insektenvorkommen verloren.
Haussperlinge sind ganzjährig besonders geschützt, nach Bundesnaturschutzgesetz §44 Abs. 1 und EG-Vogelschutzrichtlinie. Brutplätze dürfen nur bei wichtigen Gründen und nur mit Genehmigung der Naturschutzbehörde entfernt werden. Hierbei ist das Tötungsverbot einzuhalten und künstliche Nisthilfen müssen in Form des ökologischen Ausgleichs die zerstörten Brutplätze ersetzen.
Die Dunkelziffer von ohne Artenschutzmaßnahmen zerstörten Brutplätzen ist in Berlin sehr hoch. Dabei ist es einfach, Ersatzniststätten in die notwendigen Sanierungen zu integrieren und die Kosten fallen kaum ins Gewicht. Das dies bei geschätzten über 80% der Baustellen nicht geschieht, liegt an massiven Vollzugsdefiziten.
Es gibt für Bauherren keine generelle Verpflichtung, bei Baumaßnahmen an Gebäuden einen Gutachter hinzuzuziehen. Bei Baugenehmigungen werden die Naturschutzbehörden nicht beteiligt, Bauherr*Innen sollen eigenverantwortlich die tief im Gemäuer versteckten Bruthöhlen entdecken und melden, kontrolliert wird nicht. Naturschutzbehörden sind auf die Meldungen von aufmerksamen Anwohner*Innen angewiesen. So werden geschützte Brutplätze, wenn überhaupt, erst mitten im Baugeschehen bekannt und es entstehen Konflikte, die im Vorfeld vermeidbar waren.
Diese große Lücke beim Artenschutz am Bau kann nur politisch gefüllt werden. Behörden können derzeit auf Grund der fehlenden Kontrollen nicht garantieren, dass ein Bauvorhaben überhaupt rechtssicher ist und die Vorschriften zum Artenschutz erfüllt.
Die Berliner Charta Stadtnatur steht als Versprechen im Raum, in der Praxis kommt es regelmäßig zu Konflikten und entsetzten Anwohner*Innen, die nicht selten erleben müssen, wie Vogelnester vor ihrer Haustür einfach zugeschmiert werden, weil Behörden handlungsunfähig sind und vollendete Tatsachen geschaffen werden. Im Nachhinein sind zerstörte Nester nicht mehr nachweisbar.
Lösungen gibt es und diese sind im Gegensatz zu teuren Baustopps aufwandsarm. Die Begutachtung auf Brutplätze bzw. Ruhestätten an Gebäuden kann rechtzeitig stattfinden. Rechtzeitig vor Baubeginn geplante Schutzmaßnahmen sowie ein vorgezogener ökologischer Ausgleich, in Form von (kostenarmen) Nistmodulen, gewährleisten einen für Mensch und Tier reibungslosen Ablauf.
Weiter so & Gebäudebrüter ignorieren = SCHWER! UNPOPULÄR! TEUER!
Verfahrensweise ändern und den Artenschutz rechtzeitig einplanen = LEICHT! POPULÄR! BILLIG!
Derzeit steht in Berlin die Novelle der BauO Bln an. Ein Referentenentwurf soll im Sommer abgestimmt werden. Die neue BauO Bln enthält den Ökoparagrafen §8. An der Novelle wurden nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Berliner Verwaltung (39 GGO-II) ganze 31 Fachkreise und Verbände beteiligt, von der Messe Berlin GmbH über den Bauindustrieverband bis zur BVG.
Verwunderlich ist, dass die anerkannten Berliner Naturschutzverbände der BLN über die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Bauen nicht offiziell über das Beteiligungsverfahren zu einer Stellungnahme zur Novelle aufgefordert wurden.
Der Einbau von Nisthilfen bei Neubau ist zu begrüßen. Der jetzige Entwurf des §8 zu Gebäudebrütern ist aber ganz klar fachlich unzureichend. Die geschützten und in Berlin bedrohten Gebäudebrüter sind allesamt Koloniebrüter und immer auf mehrere Brutplätze im engen Verbund angewiesen, d.h. es macht wenig Sinn, einsame Niststeine bei Neubauten aufzuhängen, wo dann niemand einzieht.
Anstatt das erfolgreiche Beispiel Münchens zu adaptieren und in Berlin die Fassadenfläche als Grundlage für die Anzahl der einzubauenden Vogel- und Fledermausquartiere zu nehmen, werden nur vereinzelte Brutplätze geschaffen. Um den Einbau von Niststeinen bei Sanierungen und Neubau erfolgreich zu praktizieren, müssen mind. 5 Quartiere pro Gebäude geschaffen werden. Bei Neubau ist nicht mit Zusatzkosten zu rechnen. Niststeine sind kaum erkennbar und werden sehr gut angenommen. Ebenso fehlt in §8 das Schaffen von Lebensraum, wie Zufluchtsstätten in Hecken. Vögeln nützt ein Nistplatz wenig, wenn sie keinen geschützten Ort für die Aufzucht der Jungen, das Sozialleben, den Schutz vor Witterung und Beutegreifern sowie die Nahrungssuche haben.
Wenn am Ende der nächsten Legislaturperiode leere Nistkästen rumhängen wäre dies fatal. Die (politische) Logik darf nicht sein: Wir gucken so lange zu, bis Spatz & Co in Berlin auch auf der Roten Liste gelandet ist und brechen dann in Verwunderung, Entsetzen und (teure) Hyperaktivität aus. In Berlin können wir es noch richtig machen und gefährdete und bedrohte Gebäudebrüter schützen.
Die Versprechen der Charta Stadtnatur, dass sich ein moderner Artenschutz etabliert, der ein rechtssicheres Bauen unterstützt, wird im Entwurf zur BauO Bln nicht erfüllt.
Wir fordern und hoffen auf eine Verbesserung des §8 im Entwurf zur BauO Bln, über das parlamentarische Verfahren (Ausschüsse, Plenum) und die aktive Lobbyarbeit der Berliner Naturschutzverbände, um die Versäumnisse in Form der Nichtbeteiligung des Naturschutzes wieder aufzufangen.
Bündnis StadtNatur in K 61 und NaturFreunde Berlin
Rede zum Weltspatzentag als PDF-Datei
Der Weltspatzentag findet jährlich am 20. März statt. Er wurde von der National Forever Society initiiert und macht auf den weltweiten Rückgang der Spatzen aufmerksam.
Der freche Spatz gehört zu Berlin und hier hört man sein fröhliches Tschilpen noch häufig. Doch das ist keineswegs mehr selbstverständlich. Überall wird ‚aufgewertet‘, aufgestockt, abgerissen. Mieter*Innen müssen um ihre Bleibe fürchten, weil die Häuser verkauft werden. Nicht anders ergeht es dem Spatz. Der Wohnraum wird immer teurer und dabei schrumpft auch die Artenvielfalt, die in Berlin eng an Gebäude geknüpft ist.
So droht eine Spatzenkolonie nach der anderen zu verschwinden, solange der gesetzliche Vogelschutz bei Städtebau, Freiflächenplanung und Architektur kaum berücksichtigt wird.
Die Charta Stadtnatur läuft ins Leere, wenn mit der Versiegelung von Gebäuden und naturfernen Raumkonzepten auf öffentlichem Grund unaufhörlich die Lebensgrundlagen stadttypischer Brutvögel verloren gehen.
In deutschen Großstädten wird in nur wenigen Jahrzehnten ein dramatischer Bestandsrückgang an Spatzen verzeichnet. Wie still es werden kann, ist zum Beispiel in Hamburg, Köln, München, Hannover zu beobachten. Inzwischen steht der Haussperling auf der Roten Liste der gefährdeten Arten sogar bundesweit auf der Vorwarnliste, in Hamburg auf der Roten Liste.
Spatzen sind Anpassungskünstler und dem Menschen vor Jahrhunderten in die Siedlungen gefolgt. Sie sind Meister des Überlebens in Lücken und Nischen. Eine Traufe im unsanierten Altbau, die Höhle unter der Dachblende, die Spalte im alten Plattenbau, all das reicht Spatz, Mauersegler, Star, Fledermaus und anderen Gebäudebrütern als Brutplatz und Quartier aus.
Bei Sanierungsarbeiten werden gesetzlich geschützte Nisthöhlen beseitigt, oft rücksichtslos während der Vogelbrutzeit, ohne dass die gesetzlich vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen eingehalten werden. Ortstreue Vögel wie Spatzen können sich kaum mehr anpassen, denn das erreichbare Umfeld wird meist ebenfalls saniert und Neubauten sollen hermetisch glatt und makellos sein.
Spatzen sind als Kulturfolger dringend auf die Stadt und die Nähe zum Menschen angewiesen. Sie benötigen im engen Umfeld zu den Brutplätzen ausreichend Nahrungsquellen sowie Schutzgehölze, denn sie überleben nur im Sozialverbund. Mit dem radikalen Säubern von Sträuchern, Laub und Unterholz gehen auch die Nahrungsquellen, Rückzugsräume und Insektenvorkommen verloren.
Haussperlinge sind ganzjährig besonders geschützt, nach Bundesnaturschutzgesetz §44 Abs. 1 und EG-Vogelschutzrichtlinie. Brutplätze dürfen nur bei wichtigen Gründen und nur mit Genehmigung der Naturschutzbehörde entfernt werden. Hierbei ist das Tötungsverbot einzuhalten und künstliche Nisthilfen müssen in Form des ökologischen Ausgleichs die zerstörten Brutplätze ersetzen.
Die Dunkelziffer von ohne Artenschutzmaßnahmen zerstörten Brutplätzen ist in Berlin sehr hoch. Dabei ist es einfach, Ersatzniststätten in die notwendigen Sanierungen zu integrieren und die Kosten fallen kaum ins Gewicht. Das dies bei geschätzten über 80% der Baustellen nicht geschieht, liegt an massiven Vollzugsdefiziten.
Es gibt für Bauherren keine generelle Verpflichtung, bei Baumaßnahmen an Gebäuden einen Gutachter hinzuzuziehen. Bei Baugenehmigungen werden die Naturschutzbehörden nicht beteiligt, Bauherr*Innen sollen eigenverantwortlich die tief im Gemäuer versteckten Bruthöhlen entdecken und melden, kontrolliert wird nicht. Naturschutzbehörden sind auf die Meldungen von aufmerksamen Anwohner*Innen angewiesen. So werden geschützte Brutplätze, wenn überhaupt, erst mitten im Baugeschehen bekannt und es entstehen Konflikte, die im Vorfeld vermeidbar waren.
Diese große Lücke beim Artenschutz am Bau kann nur politisch gefüllt werden. Behörden können derzeit auf Grund der fehlenden Kontrollen nicht garantieren, dass ein Bauvorhaben überhaupt rechtssicher ist und die Vorschriften zum Artenschutz erfüllt.
Die Berliner Charta Stadtnatur steht als Versprechen im Raum, in der Praxis kommt es regelmäßig zu Konflikten und entsetzten Anwohner*Innen, die nicht selten erleben müssen, wie Vogelnester vor ihrer Haustür einfach zugeschmiert werden, weil Behörden handlungsunfähig sind und vollendete Tatsachen geschaffen werden. Im Nachhinein sind zerstörte Nester nicht mehr nachweisbar.
Lösungen gibt es und diese sind im Gegensatz zu teuren Baustopps aufwandsarm. Die Begutachtung auf Brutplätze bzw. Ruhestätten an Gebäuden kann rechtzeitig stattfinden. Rechtzeitig vor Baubeginn geplante Schutzmaßnahmen sowie ein vorgezogener ökologischer Ausgleich, in Form von (kostenarmen) Nistmodulen, gewährleisten einen für Mensch und Tier reibungslosen Ablauf.
Weiter so & Gebäudebrüter ignorieren = SCHWER! UNPOPULÄR! TEUER!
Verfahrensweise ändern und den Artenschutz rechtzeitig einplanen = LEICHT! POPULÄR! BILLIG!
Derzeit steht in Berlin die Novelle der BauO Bln an. Ein Referentenentwurf soll im Sommer abgestimmt werden. Die neue BauO Bln enthält den Ökoparagrafen §8. An der Novelle wurden nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Berliner Verwaltung (39 GGO-II) ganze 31 Fachkreise und Verbände beteiligt, von der Messe Berlin GmbH über den Bauindustrieverband bis zur BVG.
Verwunderlich ist, dass die anerkannten Berliner Naturschutzverbände der BLN über die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Bauen nicht offiziell über das Beteiligungsverfahren zu einer Stellungnahme zur Novelle aufgefordert wurden.
Der Einbau von Nisthilfen bei Neubau ist zu begrüßen. Der jetzige Entwurf des §8 zu Gebäudebrütern ist aber ganz klar fachlich unzureichend. Die geschützten und in Berlin bedrohten Gebäudebrüter sind allesamt Koloniebrüter und immer auf mehrere Brutplätze im engen Verbund angewiesen, d.h. es macht wenig Sinn, einsame Niststeine bei Neubauten aufzuhängen, wo dann niemand einzieht.
Anstatt das erfolgreiche Beispiel Münchens zu adaptieren und in Berlin die Fassadenfläche als Grundlage für die Anzahl der einzubauenden Vogel- und Fledermausquartiere zu nehmen, werden nur vereinzelte Brutplätze geschaffen. Um den Einbau von Niststeinen bei Sanierungen und Neubau erfolgreich zu praktizieren, müssen mind. 5 Quartiere pro Gebäude geschaffen werden. Bei Neubau ist nicht mit Zusatzkosten zu rechnen. Niststeine sind kaum erkennbar und werden sehr gut angenommen. Ebenso fehlt in §8 das Schaffen von Lebensraum, wie Zufluchtsstätten in Hecken. Vögeln nützt ein Nistplatz wenig, wenn sie keinen geschützten Ort für die Aufzucht der Jungen, das Sozialleben, den Schutz vor Witterung und Beutegreifern sowie die Nahrungssuche haben.
Wenn am Ende der nächsten Legislaturperiode leere Nistkästen rumhängen wäre dies fatal. Die (politische) Logik darf nicht sein: Wir gucken so lange zu, bis Spatz & Co in Berlin auch auf der Roten Liste gelandet ist und brechen dann in Verwunderung, Entsetzen und (teure) Hyperaktivität aus. In Berlin können wir es noch richtig machen und gefährdete und bedrohte Gebäudebrüter schützen.
Die Versprechen der Charta Stadtnatur, dass sich ein moderner Artenschutz etabliert, der ein rechtssicheres Bauen unterstützt, wird im Entwurf zur BauO Bln nicht erfüllt.
Wir fordern und hoffen auf eine Verbesserung des §8 im Entwurf zur BauO Bln, über das parlamentarische Verfahren (Ausschüsse, Plenum) und die aktive Lobbyarbeit der Berliner Naturschutzverbände, um die Versäumnisse in Form der Nichtbeteiligung des Naturschutzes wieder aufzufangen.
Bündnis StadtNatur in K 61 und NaturFreunde Berlin
Rede zum Weltspatzentag als PDF-Datei